Nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung in großen Betrieben? Aber wirklich!

(Facility Management – Ausgabe 05/2019)

Nach mehrjähriger Zusammenarbeit hat mich die Anfrage eines namhaften Bestandskunden sehr gefreut, das Ausschreibungsverfahren der Catering-Leistungen am Standort zu begleiten.

Der Standort im Landkreis München besteht aus mehreren Objekten und beherbergt etwa 2.000 MitarbeiterINNEN mit internationalem Anspruch.

Wie ich solche Projekte immer angehe: erstmal fragen, warum ausgeschrieben werden soll bzw. was das Projektziel ist. Schnell kam das übergeordnete Unternehmensziel an die Oberfläche: Verzicht auf den Einsatz von Einweg-Kunststoff in allen Unternehmensbereichen. Daraus abgeleitet wurden Ziele hinsichtlich Regionalität, Handwerk und ökologischer Aspekte – aber auch Schaffung eines Mehrwertes für die eigenen Mitarbeiter.

„Ihr wisst, dass die Leistung vermutlich teurer werden wird?“ – „Nachhaltigkeit und Mitarbeitermotivation sind uns wichtig!“

Definiert wurden somit einige qualitative Anforderungen, die über die reine Leistungserbringung hinausgehen sollten:

  • Erzeuger (nicht Lieferanten!) aus einem Radius von 200km
  • kein Einweg-Plastik (sofern im Sinne der Lebensmittelhygiene umsetzbar)
  • maximal 20% (Teil-)Fertigerzeugnisse 
  • hoher Anteil an Bio-/ökologisch produzierten Lebensmitteln

Der Kreis der interessierten Bieter war sehr unterschiedlich: vom Mittelständler mit 40 Mitarbeitern bis zum Großkonzern mit mehreren zehntausend Mitarbeitern.

Die Ideen der Bieter zu den qualitativen Zielen wurden als Servicekonzept abgefragt – zusätzlich zu weiteren Aspekten hinsichtlich Organisation, Personaleinsatz und dergleichen. 

Aufgrund der qualitativ hochwertigen Servicekonzepte nahezu aller Bieter sowie der fachlichen Bietergespräche wurde schnell klar: hier endet die Diskussion um „echte“ Nachhaltigkeit nicht! Die Verbannung von Einweg-To-Go-Bechern war schon obligatorisch, ebenso wie Maßnahmen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung (sowohl bei Überproduktion als auch Überportionierung).

Schlagworte, wie Einbindung von Integrationsbetrieben, Verwertung „Nose-to-tail“, Direct-Trade, organisatorisches Energiemanagement, Tierwohl und Weideschlachtung wurden aufgenommen und verfolgt. Die Herausforderung der Nutzung großer Mehrweggebinde und zum Teil dezentraler Bereitstellung musste gelöst werden. Ein breites Lieferantenspektrum war erforderlich – wenn Massentierhaltung vermieden werden sollte. Die Sinnhaftigkeit von Biosiegeln und Zertifizierungen wurde in Frage – stattdessen ethische Grundsätze in den Vordergrund gestellt. Die Einbindung aller Lieferanten in die Aktivitäten wurde zugesagt – ebenso wie Maßnahmen zur auftragnehmerseitigen (nachhaltigen) Mitarbeiterbindung und -entwicklung. 

Und das für etwa 1.200 Essen pro Tag, plus Zwischenverpflegung? Ja. – Internationaler Anspruch? Auch das.

Nach intensiven konzeptionellen Gesprächen mit den Bietern wurde ein „Kochduell“ angesetzt: die drei Bieter in der engeren Wahl wurden zu einer Koch-Competition eingeladen. Jedem Bieter wurde die gleiche Auswahl von Rohstoffen zur Verfügung gestellt, ohne Rezeptur – Ziel war, innerhalb einer bestimmten Zeit für etwa 15 Test-Esser je eine Vorspeise, Hauptgericht und Dessert in Probier-Portionen zu kreieren. Bei den Test-Essern handelte es sich um Mitarbeiter des Kunden, die zum Teil mittels Losverfahren ausgewählt wurden. Die Bewertung der dreimal drei Gerichte erfolgte anonym.

Die Kalkulationen wurden erst nachgelagert betrachtet – wenn auch natürlich klar ist: Betriebsrestaurants kosten viel Geld – da lohnt ein genauer Blick. 

Die kaufmännischen Abstimmungen bezogen sich weniger auf absolute Verhandlungsergebnisse, sondern wurden mit Regelungen im Sinne der Nachhaltigkeit und Fairness versehen: Tischgastpauschale, anteilige Übernahme von Kosten für übergeordnete Leistungen sowie eine definierte Gewinnbeteiligung bei der Zwischenverpflegung sowie im Rahmen des optionalen Veranstaltungscaterings. 

Aber siehe da: die Beraterin lag falsch – es wurde nicht teurer! 

Was ich Ihnen mitgeben möchte: auch in großen Betrieben sind ethische Grundsätze und Nachhaltigkeit umsetzbar. Man muss sich nur trauen und es wollen!