Commerzbank-Arena Frankfurt: Ausschreibungskonzept mit attraktiven Anreizen

(veröffentlicht im Fachmagazin „Der Facility Manager“ Heft 3 / Ausgabe März 2020)

Umfassende Veränderungen in der Betriebsorganisation der Commerzbank Arena in Frankfurt machten eine neue Konzeption und Ausschreibung der technischen Facility Services erforderlich. Trotz der Restriktionen einer EU-weiten öffentlichen Ausschreibung ist ein Modell entstanden, das neben Malus-Regelungen gute Leistungen und personelle Stabilität beim Dienstleister mit attraktiven Boni honoriert.

Im Jahr 2020 stehen für die Commerzbank-Arena in Frankfurt am Main große Veränderungen an: Bisher wurde die Arena durch eine private Gesellschaft betrieben. Zum 1. Juli 2020 übernimmt die Sportpark Stadion Frankfurt am Main Gesellschaft für Projektentwicklung mbH (SSF) als 100-prozentige Tochter der Stadt Frankfurt die technische Betriebsführung. Die Wichtigkeit professioneller Facility Services unterstreicht dabei der Blick in die Zukunft: Im Jahr 2024 wird die UEFA Fußball-Europameisterschaft in Deutschland ausgetragen – einige Spiele werden in der Arena stattfinden. Das bedeutet, dass die Spiel- und Veranstaltungsstätte weltweit Beachtung findet. Zu Unterstützung bei der Umorganisation bediente sich das Projektteam externer Beratung durch das Büro bS-beratung, Bianca Schwindl.

Die Veränderungen in der Betriebsorganisation der Arena treffen sowohl die SSF als auch den Mieter Eintracht Frankfurt, der vom 1. Juli 2020 an für 15 Jahre zum Generalmieter des städtischen Waldstadions wird und künftig ebenfalls diverse Leistungen sowie rund 90 Prozent der Betriebskosten übernimmt. Die Fußball-AG der Eintracht bekommt nach Informationen der FAZ das Nutzungsrecht für einen zeitlichen Anteil von etwa 80 Prozent. In dem übrigen Fünftel, etwa in der Sommerpause der Bundesliga, kann die Stadt selbst Veranstaltungen organisieren und vermarkten.

Abgrenzung von Zuständigkeiten und Leistungen

Für eine klare Abgrenzung von Zuständigkeiten und Leistungen erarbeiteten die beteiligten Parteien zunächst die Schnittstellen im Rahmen von Workshops. Die große Herausforderung wird dabei auch künftig sein, dass Veranstaltungen sowohl vom Eigentümer als auch vom Mieter ausgerichtet werden – was mit Blick auf die Praxis bei personalintensiven Leistungen wie der Umbestuhlung sowie dem Aufbau von Bühnen massive Auswirkungen hat.

Nach intensiven Gesprächen war klar: Die technischen Facility Services verbleiben weitestgehend in der Verantwortung der SSF, und sie werden aufgrund der schlanken eigenen Organisation zumeist extern vergeben. Die extern zu erbringenden Leistungen umfassen vor allem das technische Objektmanagement, Bedienen/Betätigen, vorbeugende Wartungen, die Koordination der wiederkehrenden Prüfungen, Instandsetzungen sowie Supportleistungen v.a. im Veranstaltungsbetrieb. Die gemeinsam entwickelte Schnittstellenmatrix (Abbildung 1) galt als Kommunikationsbasis sowohl für die Vereinbarungen mit dem Mieter als auch für die Gestaltung der zu erstellenden Ausschreibungsunterlage.

Abbildung 1: FM-Schnittstellenmatrix

Rechtssichere Gestaltung des Ausschreibungsverfahrens

Zur rechtssicheren Gestaltung des Ausschreibungsverfahrens wurde zu Projektbeginn eine auf öffentliches Vergaberecht spezialisierte Anwaltskanzlei eingebunden. Aufgrund der Vertraulichkeit diverser Unterlagen entschied sich die SSF für ein nicht-offenes Verfahren mit vorausgehendem Teilnahmewettbewerb, das aufgrund des zu erwartenden Vertragsvolumens oberhalb des Schwellenwertes europaweit durchzuführen war. Persönliche Verhandlungsgespräche schließt diese Verfahrensart aus, so dass geeignete Kriterien zu finden waren, wie die Bieter und deren Angebote bewertet werden können.

Dem Aufbau der Ausschreibungs- und Vertragsunterlagen ging die Festlegung des Terminplans voraus. Im Sinne eines fairen Verfahrensablaufes wurden einige vorgegebene Fristen nach oben korrigiert. Beispielsweise wurde die Kalkulationszeit auf knapp acht Wochen angesetzt – statt 30 Tagen gemäß Vergaberecht. Dies erschien in Anbetracht der hohen Auslastung der Facility-Services-Anbieter als sinnvoll. Nach den internen Genehmigungs- und Entscheidungsprozessen erfolgte die Vergabe noch im Jahr 2019, was in der Konsequenz einen realistischen Ansatz für die Implementierungsphase von rund sechs Monaten mit sich brachte.

Vorgeschalteter Teilnahmewettbewerb

In einem der eigentlichen Angebotsabfrage vorausgehenden Teilnahmewettbewerb bewarben sich Unternehmen um die Möglichkeit, ein Angebot legen zu können. Zu diesem Zeitpunkt wurde die zu vergebende Leistung nur mit einer groben Beschreibung öffentlich gemacht. Der Aufwand für die Bewerber sollte so niedrig gehalten werden, die Bewerbungen für den Auftraggeber jedoch schon aussagekräftig sein.

Der Teilnahmewettbewerb umfasste einige wenige Eignungskriterien, die von Bewerbern erfüllt werden mussten, um als Bieter zugelassen zu werden. Ein Teil dieser Kriterien war als Ausschlusskriterien definiert – so ist eine bestimmte Unternehmensgröße aufgrund der Komplexität der Leistungen zwingend erforderlich. Weitere Kriterien bezogen sich auf die Qualifikation des Unternehmens und der projektleitenden Personen. Nach erfolgter Auswertung der vorliegenden Bewerbungen wurden die Ausschreibungsunterlagen über das Vergabeportal den Bietern zur Verfügung gestellt. Sie umfassten:

• Verfahrensbeschreibende und -begleitende Unterlagen
• Vertragsentwurf
• Objekt- und Projektbeschreibung
• Ergebnisorientierte Leistungsbeschreibung
• Schnittstellenmatrix (siehe oben)
• Bonus-Malus-Vereinbarung mit Feedbacksystem
• Kalkulations-/Preistabelle
• Diverse Anhänge zur Konkretisierung

Ziele in der Objekt-/Projektbeschreibung

Die Objekt-/Projektbeschreibung sollte grobe Angaben zu Auftraggeber, Objekt und Leistungsumfang enthalten, aber auch die Projektziele darstellen. Was erwartet sich der Auftraggeber von der späteren Zusammenarbeit? Was ist besonders wichtig bei der Leistungserbringung? Im Fall der Arena liegt das Hauptaugenmerk auf einem reibungslos ablaufenden Veranstaltungsbetrieb bei gleichzeitig hoher Leistungsqualität und dem Werterhalt der Immobilie. Die Zusammenarbeit soll daher mit möglichst wenigen Schnittstellen, in flacher Hierarchie und mit konstanter Betriebsmannschaft erfolgen.

Aufwand für beide Seiten: einmalige Leistungen

Einen oftmals unterschätzten Aufwand stellen die Leistungen zu Beginn eines Auftrages dar. Hierbei geht es nicht nur um die Organisation der Leistungsausführung durch den Kooperationspartner: Da die SSF das Objekt nun in die eigene Verantwortung übernimmt, wurde u.a. eine umfangreiche Objektzustandsfeststellung in die Leistungsbeschreibung aufgenommen. Die Objektzustandsfeststellung soll einerseits einen geregelten Übergang von der früheren zur neuen Betriebsorganisation sicherstellen, andererseits eine Budgetplanung für künftigen Instandsetzungsbedarf ermöglichen. Ein Objekt dieser Komplexität und Größenordnung zu erfassen und zu bewerten, erfordert unterschiedliche Gewerkespezialisten und viel Zeit. Auch SSF plant hier Kapazitäten ein, um den späteren Kooperationspartner zu unterstützen. „Wir müssen dem Dienstleister sagen, was wir genau wollen“, lautet das Credo der Betreiber.

Zusätzlich zum Aufwand für die Implementierung wurde die für das Vertragsende erforderliche Leistung definiert. Auch wenn dies bei einer ausgeschriebenen Vertragslaufzeit von fünf Jahren plus einem Jahr Verlängerungsoption noch in weiter Zukunft erscheinen mag, stellte die SSF so bereits Überlegungen zu einer professionellen Überleitung zu einem späteren neuen Kooperationspartner an. Diese einmaligen Leistungen wurden als Position in der Kalkulations-/Preistabelle aufgeführt und sollten von den Bietern auskömmlich und realistisch bepreist werden.

Servicekonzept als wesentlicher Bestandteil des Angebotes

Um die Wirtschaftlichkeit und Auskömmlichkeit der Angebote beurteilen zu können, definierte die SSF über das monetäre Angebot hinaus Servicekonzepte für diverse Aspekte, die für die spätere Zusammenarbeit als wichtig erachtet werden, als Zuschlagskriterien. Die Bewertung der Servicekonzepte ist mit einer Gewichtung von 45 Prozent in die Gesamtwertung eingegangen. Der Preis auf die gesamte Laufzeit inklusive definierter variabler Positionen z.B. für Störungseinsätze wurde mit 55 Prozent in die Gesamtwertung einbezogen.

Wichtig waren bei der Definition der Servicekonzepte eine möglichst konkrete Fragestellung mit Bezug zur ausgeschriebenen Leistung und der zu erwartende Mehrwert der bieterseitigen Ausführungen für den künftigen Betrieb, denn das Servicekonzept des künftigen Kooperationspartners sollte vertragsgegenständlich werden. Eine Abfrage zielte dabei beispielsweise auf den Personaleinsatz ab: Über die Qualifikation des Personals und den für das Objekt kalkulierten Stundenaufwand hinaus wurden Maßnahmen zur langfristigen Personalbindung abgefragt. Ein weiteres von insgesamt sieben Unterkriterien definiert die methodische Vorgehensweise zur Qualitätssicherung von Eigenleistungen. Eine Gewichtung der jeweiligen Unterkriterien ermöglichte dann die Bewertung der eingehenden Servicekonzepte anhand von Punktevergaben von eins bis fünf (Abbildung 2).

Abbildung 2: Tabellarische Bewertung

Bonus-Malus-System mit „weichen“ Merkmalen

Die Erfahrung in der Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartnern zeigt, dass etwaige Schwierigkeiten häufig ihre Ursache in unterschiedlichem Qualitätsempfinden bzw. einer unterschiedlichen Erwartungshaltung haben. Vor allem in nicht-produzierenden Branchen führen (Bonus-)Malus-Systeme, die sich auf hart messbare Merkmale wie Reaktionszeiten und technische Verfügbarkeiten von Anlagen beziehen, nicht immer zum gewünschten Ergebnis. So war SSF bewusst, dass es die meisten Probleme im Bereich der sogenannten Soft Skills gibt. Die Anforderung war also, ein Bonus-Malus-System zu schaffen, das eine gute Feedbackkultur – einhergehend mit einer realistischen Erwartungshaltung – entwickelt.

Abbildung 3: Feedbacksystem

Das Bonus-Malus-System basiert deshalb auf mehreren Stufen:

• Monatliches Feedbackgespräch: beidseitige Bewertung der vereinbarten Leistungsqualität auf Augenhöhe – mit vorab definierten und gewichteten Kriterien. Bei Abweichungen von der Vereinbarung wird auf Monatsbasis ein Malus fällig. Der Malus in Höhe von 3 bis 5 Prozent richtet sich nach den Kapiteln der Leistungsbeschreibung und der dazu vereinbarten Teilpauschale.
• Bei einer Leistungsqualität, die über mindestens drei Monate hinaus besser als erwartet ist, wird ein gestaffelter Bonus ausgezahlt. Die Höhe des hier zu erzielenden Bonus ist absolut benannt , d.h., es besteht keine Abhängigkeit von der Monatspauschale. Die Höhe des Bonus liegt in etwa in dem Bereich des maximalen Malus bezogen auf das gesamte Umsatzvolumen.
• Erfahrungsgemäß bedeutet ein Personalwechsel in der Betriebsmannschaft immer Know-how-Verlust, der für den Auftraggeber einen Schaden darstellt. Vor allem bei einer Störung während des Veranstaltungsbetriebes stellt ein Betriebsteam ohne detaillierte Orts- und Anlagenkenntnis ein Risiko dar. Aus diesem Grund wurde ein weiterer Bonus für die Beständigkeit der Betriebsmannschaft des Kooperationspartners in den Vertrag integriert. Hier wurde wieder ein – im Verhältnis zum zu erwartenden Jahresvolumen – wesentlicher Betrag definiert, der als Anreiz zur Beständigkeit verstanden werden konnte. (Auch wenn dies oft gewünscht wird: Es ist in der öffentlichen Vergabe vertragsrechtlich nicht möglich, den Kooperationspartner zu verpflichten, diesen Bonus direkt dem Personal zukommen zu lassen.)

Um den Bietern Befürchtungen einer Übervorteilung zu nehmen, wurde eine detaillierte Beschreibung des Aufbaus und der Funktion dieses System beigefügt, welches als Vertragsbestandteil aufgenommen wurde.

Nachhaltigkeit in der Betriebsführung

SSF sieht eine faire vertragliche Basis, bei der sich Auftraggeber und der Kooperationspartner auf Augenhöhe begegnen, als maßgeblich für eine nachhaltig hochwertige Leistungserbringung. Diese Basis wurde mit den Unterlagen geschaffen. Auch wenn eine so gravierende Veränderung immer Herausforderungen mit sich bringt, wird SSF künftig durch einen leistungsfähigen Partner unterstützt werden, der sich seiner Aufgaben bei Angebotslegung bewusst war.

SSF sieht eine faire vertragliche Basis, bei der sich Auftraggeber und der Kooperationspartner auf Augenhöhe begegnen, als maßgeblich für eine nachhaltig hochwertige Leistungserbringung. Diese Basis wurde mit den Unterlagen geschaffen. Auch wenn eine so gravierende Veränderung immer Herausforderungen mit sich bringt, wird SSF künftig durch einen leistungsfähigen Partner unterstützt werden, der sich seiner Aufgaben bei Angebotslegung bewusst war.

Hintergrundinfos: Commerzbank-Arena und SSF

Die 2005 auf der Stelle des früheren Waldstadions errichtete Commerzbank Arena gilt als Hessens größte Sportstätte. Die Architekten waren Gerkan, Marg & Partner. Die Sportpark Stadion Frankfurt am Main Gesellschaft für Projektentwicklung mbH (SSF) ist eine 100-prozentige Gesellschaft der Stadt Frankfurt am Main und fungiert ab 1. Juli 2020 als Besitzgesellschaft und technischer Betreiber der Sport- und Veranstaltungsstätte. Hauptmieter ist der Bundesligist Eintracht Frankfurt, aber auch die SSF tritt als Veranstalter auf. Zudem ist die SSF für die PSD-Bank Arena am Bornheimer Hang verantwortlich und betreibt die Wintersporthalle mit der angrenzenden „Kleinen Kampfbahn“ sowie die Sportanlage Louisa.

Die Arena in Zahlen:

• 139.000 qm Bruttogeschossfläche
• 210 m Länge und 190 m Breite
• 26.890 qm bebaute Fläche (ohne Spielfeld)
• 48.500 Sitzplätze bzw. 51.500 Sitz- und Stehplätze
• 74 VIP-Logen mit 900 Sitzplätzen und 2.200 Business-Seats
• 1.700 Stellplätze in der Tiefgarage
• Verschließbares Innendach
• 30 t schwerer versenkbarer Medienwürfel mit derzeit 6,90 m x 4,90 m Leinwand